Nach Beweiserhebung kommt das Gericht zu folgender Begr\u00fcndung (Auszug):<\/strong><\/p>\n

Der Angeklagte hat sich damit der fahrl\u00e4ssigen T\u00f6tung gem\u00e4\u00df \u00a7 222 StGB schuldig gemacht.<\/p>\n

 <\/p>\n

Bei geh\u00f6riger \u00dcberlegung h\u00e4tte der Angeklagte ebenso wie die Zeugen F.und B., welche im 5. Rennen die Kampfstandbesatzung 5 bildeten, erkennen k\u00f6nnen und m\u00fcssen, da\u00df er sich nicht im Kampfstand befindet, sondern erst die Warteposition erreicht hat.<\/p>\n

 <\/p>\n

Ihm w\u00e4re sodann aufgefallen, da\u00df eine Waffenauflage in Form von Sands\u00e4cken nicht vorhanden war, man noch keine Br\u00fccke passiert hatte, an der man zudem noch von einem Sicherheitsgehilfen abgeholt werden sollte. Insbesondere w\u00e4re dem Angeklagten klar geworden, dass, anders als beim Tagschie\u00dfen und in der Belehrung des Zeugen B. f\u00fcr das Nachtschie\u00dfen ebenfalls ausgef\u00fchrt, sich kein Sicherheitsgehilfe bei ihnen befand, man sich also noch gar nicht im eigentlichen Kampfstand befinden konnte. Auch mu\u00dfte ihm aus der Belehrung durch den Zeugen B., die in groben Z\u00fcgen durch den Zeugen U. wiederholt worden ist, bewu\u00dft sein, da\u00df es sich bei der in H\u00f6he des Feldwebel D. eingenommenen Position um die Warteposition handelt und man erst auf weitere Anordnung aus dieser Position geradeaus in einen 50 m entfernten Kampfstand gef\u00fchrt wird.<\/p>\n

 <\/p>\n

Auf den heranwachsenden Angeklagten war wegen Reifeverz\u00f6gerungen Jugendstrafrecht anzuwenden.<\/p>\n

 <\/p>\n

Bei den zu ergreifenden Ma\u00dfnahmen mu\u00dfte zugunsten des Angeklagten eine Ansammlung von Unzul\u00e4nglichkeiten auf seiten des Ausbildungspersonals bei Durchf\u00fchrung des Nachtschie\u00dfens ber\u00fccksichtigt werden. In Abweichung von den Nr. 403 und Nr. 620 der Besonderen Anweisungen f\u00fcr die Ausbildung der Luftwaffe sind die Soldaten vor Durchf\u00fchrung des Nachtschie\u00dfens nicht mit Blick in das Zielgel\u00e4nde eingewiesen worden und es erfolgte zugleich auch keine Einweisung vor Eintritt der eingeschr\u00e4nkten Sicht. Die Einweisung durch den Zeugen B. auf dem Antreteplatz bzw. die nachfolgende grobe wiederholende Einweisung durch den Zeugen U. in wartender Position vermochten den Soldaten keine Anhaltspunkte f\u00fcr das Nachtschie\u00dfen zu bieten, zumal kaum ein Soldat w\u00e4hrend des Tagschie\u00dfens Gelegenheit hatte, den Bereich der Warteposition und Kampfst\u00e4nde des Nachtschie\u00dfens zu betrachten. Auch mu\u00df bei den an das Ausbildungspersonal zu stellenden Anforderungen erh\u00f6hend ber\u00fccksichtigt werden, da\u00df es sich um das erste Nachtschie\u00dfen der Kompanie handelte und es sich insoweit also um unge\u00fcbte Sch\u00fctzen handelte. In diesem Zusammenhang ist auch gegen den in Nr. 405 der Besonderen Anweisungen f\u00fcr die Ausbildung der Luftwaffe enthaltenden allgemeinen Grundsatz f\u00fcr ein Gefechtschie\u00dfen versto\u00dfen worden, wonach kein Zeitdruck aufzubauen ist und ein ruhiges und konzentriertes Umsetzen des Auftrages bis zum Schie\u00dfende sicherzustellen ist. Bei einer letztlich verbliebenen Zeit von etwa 13 Minuten pro Rennen f\u00fcr das Nachtschie\u00dfen, nachdem sich nach Wecken um 03:00 Uhr das Tagschie\u00dfen von 08:00 bis 15:30 Uhr bei Temperaturen stattgefunden hatte, die sich abends dem Gefrierpunkt n\u00e4herten, dr\u00e4ngt sich ein solcher Versto\u00df auf. Weiter ist festzuhalten, da\u00df die Bundeswehr aus einem gleich gelagerten Vorfall aus dem Jahr 1992 in Schwarzenborn keine Konsequenzen gezogen hatte. Wenn denn eine Meldung \u201eKampfstand belegt“ des Nachts nicht erfolgen sollte, h\u00e4tte doch daf\u00fcr Sorge getragen werden m\u00fcssen, da\u00df nach Munitionserhalt und sp\u00e4testens nach Einweisung durch die Zeugen D. und B. in die Warteposition die sich in der Warteposition befindlichen Soldaten s\u00e4mtlich unter Aufsicht befanden. Auch wenn zugleich gegen die Nr. 704 der Besonderen Anweisungen f\u00fcr die Ausbildung der Luftwaffe versto\u00dfen wurde, wonach bei Gefechtschie\u00dfen bei Nacht die Soldaten auf Brust und R\u00fccken je ein gelbes Tuchdreieck tragen, ist insoweit festzuhalten, da\u00df durch die Beweisaufnahme weiterhin fraglich ist, ob solche Dreiecke auf der gegebenen Entfernung \u00fcberhaupt zu erkennen gewesen w\u00e4ren.<\/p>\n

 <\/p>\n

Auch wenn durch die Tat des Angeklagten tragischerweise ein Mensch ums Leben gekommen ist, f\u00fchren diese Gesamtumst\u00e4nde letztlich dazu, da\u00df eine Schwere der Schuld im Sinne des \u00a7 17 JGG nicht festgestellt werden kann und somit schon aus diesem Grund die Verh\u00e4ngung einer Jugendstrafe gegen den Angeklagten ausgeschlossen ist. Um eindringlich und nachhaltig auf den Angeklagten entsprechend dem Grundgedanken des Jugendstrafrechts erzieherisch einzuwirken, war es daher erforderlich, aber auch ausreichend, gegen ihn bei gleichzeitiger Erteilung einer Verwarnung eine Arbeitsauflage von angemessen 100 Stunden zu verh\u00e4ngen.<\/p>\n

 <\/p>\n

Die Kostenentscheidung beruht auf\u00a7\u00a7 465 Abs. l, 472 Abs. l Satz l StPO.<\/p><\/blockquote>\n

---

\n

\u00a0Wie laufen die Momente nach einer Urteilsverk\u00fcndung f\u00fcr die Betroffenen ab?<\/strong><\/p>\n

\u201eDer Angeklagte ist der fahrl\u00e4ssigen T\u00f6tung schuldig.\u00a0Er wird verwarnt und hat nach Weisung des f\u00fcr ihn zust\u00e4ndigen Jugendamtes eine Arbeitsauflage von 100 Stunden zu erf\u00fcllen……\u201c – kann das ein gerechtes Urteil f\u00fcr den Tod eines jungen Menschen sein?<\/p>\n

Was ist mit den anderen Beteiligten?
\nWas ist mit denen, die die Vorschriften nicht rechtzeitig ge\u00e4ndert haben?<\/p>\n

Wir h\u00f6rten dieses Urteil.<\/p>\n

Der Richter las es vor und \u00a0v e r s c h w a n d<\/strong> .<\/p>\n

Zwei Offiziere der Bundeswehr verabschiedeten sich von uns und \u00a0v e r s c h w a n d e n<\/strong> .<\/p>\n

Die anderen Soldaten \u00a0v e r l i e \u00df e n<\/strong> \u00a0das Gericht sofort nach der Urteilsverk\u00fcndung.<\/p>\n

Unser Rechtsanwalt verabschiedete sich mit den Worten: \u201eDanke, das sie mich ausgew\u00e4hlt haben…<\/em>\u201c
\nund \u00a0v e r s c h w a n d<\/strong> .<\/p>\n

Ein Zeitungsreporter bat uns um ein Bild von Christian, verabschiedete sich und \u00a0v e r s c h w a n d<\/strong> .<\/p>\n

Fernsehen und Presse \u00a0v e r s c h w a n d e n<\/strong> , denn die neuesten Nachrichten mussten ja noch gesendet bzw. gedruckt werden.<\/p>\n

Der Gerichtswachtmeister stand bereits mit dem Schl\u00fcssel hinter uns und \u00a0w a r t e t e \u00a0\u00a0d a r a u f ,
\nd a s s \u00a0\u00a0a u c h \u00a0\u00a0w i r \u00a0\u00a0v e r s c h w a n d e n<\/strong> .<\/p>\n

An diesem Tag ist Christian f\u00fcr mich ein zweites Mal gestorben – ganz langsam.<\/p>\n

So standen wir beide allein in der kalten dunklen Februarnacht vor dem Amtsgericht Walsrode und gingen stumm und frierend zu unserem Auto. Ca. 400 km Fahrstrecke lag vor uns und ich, Renate, brach in einen schrecklichen Weinkrampf aus. Ich war hilflos \u00fcberfordert und nicht f\u00e4hig, einen klaren Gedanken zu fassen. Danke sage ich hier meinem Mann, der die Kraft hatte und uns wohlbehalten nach Hause brachte. Wir erreichten Leipzig gegen Mitternacht.<\/p>\n

Liebe Leser !!!!!!!!!!!<\/p>\n

Wenn Sie einmal in eine \u00e4hnliche Situation kommen, dann w\u00fcnschen wir Ihnen, dass Sie Menschen finden m\u00f6gen, die Ihnen in diesem Moment beistehen. Menschen, die Sie begleiten, die Sie ggf. fahren, die in Ihrer N\u00e4he sind, wenn Sie sie ben\u00f6tigen. Denn nichts ist schlimmer, als das Gef\u00fchl zu haben, allein gelassen zu werden.<\/p>\n

Wir wussten vorher nicht, was uns erwartet und ob wir Hilfe brauchen w\u00fcrden.<\/p>\n

Der Tag danach<\/h2>\n

Mir war es nicht m\u00f6glich, an diesem Tag zur Arbeit zu gehen. Ich musste einen Arzt aufsuchen.<\/p>\n

Dank der modernen Medien, waren Berichte \u00fcber die Verhandlung schon im Abendprogramm des 25.02.99 gesendet worden. Die Zeitungen berichteten am Morgen dar\u00fcber.<\/p>\n

Auf meinem Weg zum Arzt begegneten mir bereits Menschen, die ihr Unverst\u00e4ndnis \u00fcber dieses \u201emilde Urteil\u201c \u00e4u\u00dferten. Und im Wartezimmer beim Arzt las ein Mann den druckfrischen Beitrag der Bild-Zeitung seiner Frau laut vor. Er ahnte nicht, dass ihm die Mutter des get\u00f6teten Soldaten gegen\u00fcber sa\u00df.<\/p>\n

Wie ein roter Faden zogen sich diese Fragen, dieses Unverst\u00e4ndnis, die n\u00e4chste Tage durch unser Leben.<\/p>\n

\u201eWarum haben Sie dieses Urteil zugelassen? Es ist ungerecht. Das ist doch viel zu milde. Man k\u00f6nne so etwas doch nicht zulassen. Dagegen m\u00fcsse man Rechtsmittel einlegen … Wieder seien nur die \u201eKleinen\u201c bestraft worden\u201c – so hie\u00df es immer wieder uns gegen\u00fcber. Ich, Renate, hatte pl\u00f6tzlich das Gef\u00fchl, ich sei an dem Verhandlungsergebnis, diesem \u201emilden\u201c Urteil schuld.<\/p>\n

Was wir damals noch nicht wussten. Mit der Zulassung als Nebenkl\u00e4ger im Verfahren erreichten wir, dass \u00fcberhaupt eine Verhandlung stattfand. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft hatte in Erw\u00e4gung gezogen, das Verfahren einzustellen.<\/em><\/strong><\/p>\n

<\/a>

Caspar David Friedrich: „Friedhof im Schnee“<\/font><\/p><\/div>\n

Entt\u00e4uschung, Wut, Verzweiflung, Unverst\u00e4ndnis und Stille \u00fcber das Urteil und die Ereignisse, die zum Tod von Christian f\u00fchrten, luden die Menschen, die ihn kannten, bei uns ab. Wir waren einerseits froh \u00fcber diese Resonanz, aber andererseits auch v\u00f6llig \u00fcberfordert. Warum habt Ihr nicht bei den zust\u00e4ndigen Organgen protestiert? Wir konnten alleine auch nicht mehr erreichen. Uns ist nur ein Protestbrief, gerichtet an die Bundesrepublik, bekannt. Ein Fliegerkamerad von Christian schrieb ihn.<\/p>\n

Am Vormittag des 26.02.99 packte mich eine unendliche Sehnsucht nach Christian. Ich, Renate, hatte schwere Schuldgef\u00fchle. Mein Weg f\u00fchrte mich auf den Friedhof zu seinem Grab. Es war ein grauer Februartag, grau und dunkel wie meine Seele. Schneematsch bedeckte die Wege und die Gr\u00e4ber.<\/p>\n

Ich stand bei meinem Sohn und sagte: \u201eEs tut mir leid, dass ich nicht mehr f\u00fcr Dich tun konnte. Du warst immer ein K\u00e4mpfertyp und nicht unterzukriegen. Ich habe versagt. Verzeih mir\u201c.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Am 25.02.1999 fand die Hauptverhandlung vor dem Jugendsch\u00f6ffengericht des Amtsgerichtes Walsrode statt. Ein zweiter Verhandlungstag war am 02.03.1999 vorgesehen. Insgesamt sollten 24 Zeugen vernommen werden. Wir als Eltern waren als Nebenkl\u00e4ger zugelassen und nahmen mit unserem Rechtsanwalt an der Verhandlung teil. Presse und Fernsehen waren vor Ort. Fast alle im Gericht befindlichen Bundeswehrangeh\u00f6rige bem\u00fchten sich,<\/p>\n

Weiterlesen<\/a><\/div>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"parent":0,"menu_order":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.fam-st\u00f6be.de\/wordpress\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/pages\/37"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.fam-st\u00f6be.de\/wordpress\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.fam-st\u00f6be.de\/wordpress\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.fam-st\u00f6be.de\/wordpress\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.fam-st\u00f6be.de\/wordpress\/index.php?rest_route=%2Fwp%2Fv2%2Fcomments&post=37"}],"version-history":[{"count":18,"href":"https:\/\/www.fam-st\u00f6be.de\/wordpress\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/pages\/37\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":284,"href":"https:\/\/www.fam-st\u00f6be.de\/wordpress\/index.php?rest_route=\/wp\/v2\/pages\/37\/revisions\/284"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.fam-st\u00f6be.de\/wordpress\/index.php?rest_route=%2Fwp%2Fv2%2Fmedia&parent=37"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}